Zustandspassiv oder Handlungspassiv?

Mit diesem Artikel wirst du endlich verstehen, was das Zustandspassiv ist und wie und wann du es verwenden kannst! Ich zeige dir genau, was der Unterschied zu den anderen Passivformen (Handlungspassiv) ist. Es ist auf jeden Fall viel einfacher, als du denkst. Die Hauptschwierigkeit ist, dass es in vielen Sprachen keine direkte Entsprechung gibt.

Wenn du noch nicht ganz sicher bist, was das Passiv überhaupt ist, schau dir diesen Artikel an: Passiv im Deutschen (Teil 1) – Anleitung für Anfänger!
Oder schau dir meinen Artikel an, in dem ich dir alle wichtigen Zeiten und Formen des weitaus häufigeren und wichtigeren Handlungspassivs zeige.

Die Formen der beiden Passivarten

Beginnen wir mit dem Unterschied zwischen den beiden Arten des Passivs im Deutschen: dem Handlungspassiv, bei dem das Hilfsverb „werden“ verwendet wird. Daneben gibt es noch das (seltenere) Zustandspassiv, bei dem „sein“ als Hilfsverb steht.

Unterschiede in Bedeutung/Fokus

Der Hauptunterschied zwischen den beiden Passivformen besteht darin, dass beim Zustandspassiv (im Gegensatz zum Handlungspassiv) nicht die Handlung im Mittelpunkt steht, sondern das Ergebnis einer Handlung. Es konzentriert sich auf den Zustand, den die Handlung herbeigeführt hat – daher sein Name „Zustandspassiv„.

Schauen wir uns diese beiden deutschen Sätze einmal an:

Handlungspassiv:
(1) Das Fenster wird repariert.
The window is repaired (every now and then). / The window is being repaired (right now).

Zustandspassiv:
(2) Das Fenster ist repariert.
The window is repaired.

Im Englischen fallen die beiden Arten des Passivs zusammen (to be + past participle). Wenn also nicht die continous form (…is being repaired) verwendet, kann man den Unterschied überhaupt nicht anhand der Formen erkennen. Wenn man sich aber die englischen Sätze einschließlich der Klammern ansieht, kann man feststellen, dass bei (1) eindeutig die Handlung des Reparierens im Fokus steht. In Satz (2) geht es um das Fenster, das jetzt repariert ist – um den neuen (reparierten) Zustand.

Den gleichen Unterschied finden wir auch in den deutschen Sätzen. Welche Passivform soll man also verwenden? Wie ich bereits in der Einleitung gesagt habe, ist das Handlungspassiv viel häufiger und daher für Deutschlerner prinzipiell wichtiger. Aber in vielen Fällen kannst du durchaus beide Passivarten verwenden. Das Einzige, was sich ändert, ist die Zeitform! Mehr dazu im nächsten Abschnitt…

Erst Handlung, dann Zustand!

Bleiben wir bei unserem Beispiel mit dem Fenster, das jetzt repariert ist. Wenn es jetzt repariert ist, bedeutet das, dass es offensichtlich jemand repariert haben muss, und zwar in der Vergangenheit.

Angenommen, einige Kinder haben dein Fenster mit einem Fußball kaputt gemacht. Nach zwei langen Tagen wird dein Fenster endlich repariert. Du kannst sagen:

Handlungspassiv:
(3) Das Fenster wurde heute morgen repariert.
The window was repaired this morning.

oder:

Zustandspassiv:
(4) Das Fenster ist jetzt repariert.
The window is repaired now.

Du kannst also in vielen Fällen das Zustandspassiv wählen, wenn du den neuen Zustand betonen willst. Oder du verwendest einfach das Handlungspassiv, um die Handlung, den Vorgang zu betonen.

Aber: Achte darauf, dass du für das Zustandspassiv das Präsens und für das Handlungspassiv eine Vergangenheitsform (Präteritum oder Perfekt) verwendest. Dies gilt für die meisten Fälle, in denen du, wie in unserem Beispiel, über einen aktuellen Zustand oder über eine Handlung in der Vergangenheit sprichst, die diesen Zustand verursacht hat.

Weitere Beispiele

Diese Beispiele sollen alles, was wir bisher besprochen haben, verdeutlichen. In all diesen Beispielen findest du wieder die folgenden Kombinationen:

Zustandspassiv + Präsens oder Handlungspassiv + Präteritum/Perfekt

(5) Der Mann wurde gestern bei einem Unfall verletzt.
The man was injured in an accident yesterday.
(6) Der Mann ist (jetzt) schwer verletzt.
The man is (now) seriously injured.

(7) Die Wand wurde gestern von meinem Onkel frisch gestrichen.
The wall was „freshly“ painted yesterday by my uncle.
(8) Die Wand ist frisch gestrichen. Achtung! Nicht anfassen!
The wall is freshly painted. Attention! Do not touch!

(9) Das fehlende Ersatzteil wurde gestern bestellt.
The missing spare part was ordered yesterday.
(10) Das Teil ist bestellt. Wir hoffen, dass es nächste Woche kommt.
The part has been ordered. We hope it will arrive next week.

Zustandspassiv oder Adjektiv + „sein“?

Manchmal ist es schwierig, den Unterschied zwischen dem Zustandspassiv und einem Adjektiv + „sein“ zu erkennen.

(11) Das Geschäft ist geöffnet.
(12) Das Geschäft ist groß.

Schau dir einmal Satz (11) an. Ist das das Zustandspassiv (sein +Partizip 2) oder ist „geöffnet“ hier einfach ein Adjektiv, wie in Satz (12)? Während es sich bei (12) definitiv nicht um das Zustandspassiv handelt („groß“ ist keine Partizipform), könnte das Beispiel (11) aus allen in diesem Artikel genannten Gründen als Zustandspassiv interpretiert werden.

Aber wenn du das Wort „geöffnet“ im Duden nachschlägst, wirst du feststellen, dass es als (Partizipial-)Adjektiv klassifiziert ist. Es ist also im Grunde ein Adjektiv (das sich vom Verb „öffnen“ ableitet, oder besser gesagt von dessen Partizipform) UND gleichzeitig auch eine Partizipform. Dies ist bei einigen Partizipformen der Fall, die häufig in der Funktion eines Adjektivs verwendet werden und dann in Wörterbüchern als Adjektive lexikalisiert werden. Wie du siehst, ist das ziemlich verwirrend, und die Grenzen scheinen hier etwas willkürlich zu sein.

Linguistisch gesehen gibt es natürlich noch mehr zu berücksichtigen, aber für dich als Deutschlerner spielt das alles keine Rolle. Egal, wie du es nennst, solange du die richtigen Formen verwendest, ist alles in Ordnung. Niemand (wahrscheinlich nicht einmal in einer Prüfung) wird dich im wirklichen Leben jemals fragen: „War das gerade ein Zustandspassiv oder „sein“ mit einem Adjektiv, was du da gesagt hast?“ 🙂

Zusammenfassung

  • Für das Zustandspassiv benötigst du sein +Partizip 2
  • Er verlagert den Fokus auf den Zustand, der durch die Handlung des Verbs herbeigeführt wird.
  • In vielen Fällen hat man die Wahl zwischen Handlungspassiv (Vergangenheitsform!) und Zustandspassiv (Präsens!).
  • In manchen Fällen ist es nicht einfach/unmöglich, zwischen dem Zustandspassiv und „sein“ mit einem Adjektiv zu unterscheiden. Das spielt keine Rolle für dich!
  • War das Thema Zustandspassiv etwas, mit dem du dir schwer getan hast?
  • Hast du weitere Tipps oder Erklärungen für andere Deutschlernende?
  • Oder hast du vielleicht eine Frage zu diesem Thema? Schreib gerne einen Kommentar!